Der Chat-Ersatz-Plauder-Thread

Soll mal einer sagen, Deutsche und Österreicher mögen sich nicht zu sehr. Die Österreicher zeigen sich solidarisch mit uns und verteidigen die 0 Punkte beim ESC, damit aus doppeltem Verlust halber Gewinn wird *hust*. So viel Solidarität haben die anderen Länder nicht gezeigt, daher sollten wir einfach eine Woche lang die österreichische Flagge hissen, Sacher-Torte essen und sagen "Je suis Autrichien".

Der ESC lief im Hintergrund bei der Geburtstagsfeier einer Freundin, ich habe also auch einen Blick riskiert. Nach dem ersten Beitrag - die Madame mit der übergeworfenen Häkeldecke von Oma's Kaffeetisch - dachte ich, es kann nur besser werden. Es wurde auch besser, wenn man einfach nur die pantomimischen Ausdrucktänzer im Hintergrund beobachtet hat. So leicht schockiert war ich dann doch von der silbernen Diskokugel aus Serbien, da ich dachte, die Wagner-Aufführen von Bayreuth wären längst vorbei? Beim Wolf-Lied von Aserbaidschan dachte ich "Was? Wieder eine neue Vampier-Werwolf-Saga im Anflug?" und wollte man bei den ganzen Friedensliedern nicht spontan einen Flug nach Russland buchen, um zu zeigen, Lieder sind noch stärker als russische Panzer auf der Krim?

Doch dann, der deutsche Auftritt. Ich finde, man kann mit stolz einen billig aussehenden Hosenanzug von "H&M" tragen, ihn mit texanischen Gürtel-Imitat aufpeppen und sich zur Feier des Tages einen Raben schnappen, dessen Federn man rupft, um sie sich als Ohrgeschmeide einzusetzen. Dummerweise war der Rabe etwas älter, es reichte nur für einen Ohrclip, aber zumindest lenkte es etwas vom Topf-Dutt auf dem Kopf ab. Einmal mehr sei aber noch gesagt: "Kinder, gebt acht. Wenn ihr nicht auf High-Heels laufen könnt, dann tragt sie auch nicht, weil ihr sonst nur stacksend 0,5 Meter vor- und zurücklaufen könnt." Aber wer konnte ahnen, dass man auf einer Bühne wirklich mehr tun muss außer neckisch die Schulter zu recken und den Podex in die Kamera zu halten? Folgerichtig war der schwarze Rauch als Liedtext genial, denn wie konnte man eindrucksvoller Hilfezeichen aussenden? Der nächste James Bond-Film kommt und wenn dort die Zweit-, Dritt,- und Viertbesetzung für das Bondgirl ausfällt, dann ja, dann schlägt sicher die Stunde von...Schweden.

Die Highlights beim ESC?

1. Die Licht- und Lasertechnik hat ein Markenzeichen gesetzt und dafür entschädigt, dass kein Fiaker die drei Moderationsengel für Österreich auf die Bühne gefahren hat.

2. Conchita Wurst hat es geschafft mindestens 5 Mal in jedem Satz "beautiful" einzubinden und damit zu zeigen, wie man geschickt Werbung machen kann, ohne Werbung zu machen (Christina Aguilera's "Beautiful" dürfte schlagartig wieder höhere Verkaufszahlen verzeichnen).

3. Wie schnell das Telefonleitungsproblem behoben wurde, da kann sich bei uns die Telekom eine Scheibe von abschneiden. Und man sieht wieder, wie wichtig guter Live-Support ist.

4. Goldfarbene Schuhbekleidung - bei Frauen und Männern - geht auch 2015 wieder. Wer nicht von selbst genug strahlt oder in der Nähe eines Kernreaktors wohnt, der weiß am Dienstag, was er/sie im nächsten "Deichmann" kaufen soll.

Nächstes Jahr also wieder Schweden. Genug Zeit, um bis dahin ABBA-Klone zu finden, sich mit Wasa-Knäckebrot einzudecken und bei IKEA 1000-Teelichter-Beutel zu erwerben. Vielleicht klappt's dann mit Platz 25 für uns?

@Bibini and @Muschelkuh:

Wir hätten hier einen Live-Tweet-Channel legen und den ECS direkt kommentieren sollen, denn bauen wir hier nicht auch Brücken? Gut, wir nennen sie Schnittstellen und ihre Verbindung reißt nicht plötzlich ab, aber wenn wir sie salbungsvoll als "friedensstiftende Pfeiler zwischen Systemen" bezeichnen, sind wir voll im Thema drin und das sichert uns definitiv 12 Punkte (falls nicht, eine kleine Bombendrohung hat ja Heidi Klum's Model-Finale zum Platzen gebracht, was sagst uns das?).

Zur Bekleidungsfrage. Ich bin froh, dass du es ansprichst, Sven, denn leider wurden die Kleiderspenden für das Rote Kreuz zu früh abgeholt und in der Eile mussten eben die Kostüme von der Faschingszunft herhalten. Da es hieß "Frauen und Kinder zuerst", griff Barbara Schöneberger gekonnt zur Wurstpellenoptik und faltbaren Zieharmonika (Wurst => Österreich => Conchita Wurst, ihr seht den Gedanken hinter dem Outfit?), die ESC-Damen versuchten durch "experimentelle" Looks zu zeigen, dass man auch stilvoll eine Brücke von Großmutter's Mottenkiste zu ESC art déco schlagen und abstürzen kann. Die Punkterichter der einzelnen Länder verstanden gleich, als Vortänzer ihres Landes haben sie nur 10 Sekunden, um sich in Szene zu
setzen und potenzielle heiratswillige GreenCard-Besitzer zu erreichen, also: RUF! MICH! AN! und dann geh bitte mit mir shoppen...

Als männlicher Zuschauer des ESC kam man natürlich voll auf seine Kosten, denn wo in der freien Wildbahn findet man Strick-Susi, Feuerdrachen-Pippi, Diskokugel-Brundhilde, Latex-Olga (nicht zu verwechseln mit dieser LaTex-Office-Tussi, die immer so aufgedonnert zu Präsentationen erscheint), Schulmädchen-Britney, Amazonen-Xena und Trauer-Ursel an einem Ort? Richtig, es ist nicht immer Kölner Karneval, Schichtwechsel in einem Hamburger Tanzlokal oder Junggesellinnenabschied auf Mallorca. Gut, man kann darüber streiten, ob beigefarbene Schlüpper der Marke Liebestöter unter einem güldenen Dschungelkleid für die spanische Jane wirklich zu flammenden Blicken bei den Herren führte. Zugleich möchte ich diesen Skeptikern zurufen: Das Traditionsunternehmen Schiesser hat nicht umsonst so einen hohen Absatz gemacht und gleiche Rechte für alle! Wenn Männer Feinripp-Wäsche tragen können und das stolz, dann darf es es auch eine Frau. Immerhin kann es beim Räkeln an einer imaginären Barstange ganz schön kalt werden, schon mal daran gedacht?!

Und was war für uns Frauen geboten? Der lebende Beweis dafür, dass "nerd" ein salonfähiger Begriff geworden ist. Gestern noch saß der kleine zypriotische John halbblind im Chemie-Unterricht und war Opfer von weiblicher Missachtung. Beim ESC zeigte er, was man mit großer Brille, Welpenblick und einem schwarzen Konfirmandenanzug alles reißen kann. Viele Omas dürften gedacht haben: "Ach wie lieb, der Kleine." Wer dagegen schon immer Bruce Willis sexy fand, der dürfte beim Auftritt von Voltaj aus Rumänien für eine Sekunde Dracula vergessen haben. Der israelische-Usher-Parodist dürfte ökologisch-bewusste TV-Seherinnen begeistert haben, die spontan dachten: "Hey, der Kerl trägt goldene Schuhe! Damit spart man sich nachts das Licht und Strom." Die belgische Waffel Loïc hat eindrucksvoll bewiesen, wie sinnvoll mitunter eine Schrei-Therapie sein kann, wecke das Tier in dir oder so ähnlich, Frauen finden das sicher...nett. Die drei Strand-Adonisse von "Il Volo" kurbeln die Buchungen für den nächsten Italien-Urlaub an, ein "Isch liebää disch" klingt einfach viel besser, oder? Und ja, da war doch noch der Lippenpresser aus Litauen. Meine Damen, bei ihm hat Lippenstift keine Chance, er beißt ihn mit nur einem Biss, pardon, Kuss ab und (wenn Sie nicht schnell genug reagieren, fehlt auch ein Stück Lippe) erspart damit das lästige Abschminken am Abend.

Aber wir können froh sein, dass Schweden gewonnen hat, denn was wäre, wenn es diese Länder geworden wären:

Armenischer Beitrag: Eine Reise ins Land Mordor, wo Elfen, Elben und Gollum uns erwarten?
Griechischer Beitrag: Der letzte Atemzug innerhalb der EU, die offizielle Austrittshymne?
Französischer Beitrag: Mit genug Trauerflor bricht man jede französische Lebenslust und findet auch Carla Bruni's Chansons erträglich.
Norwegischer Beitrag: Immerhin haben sie dort viele Seen (um sich hineinzustürzen)...
Georgischer Beitrag: Wir haben ein Herz, auch für EMOs!

Hat sich auch einer die Frage gestellt, wie viele Leute spontan nach dem ESC darüber nachdenken, Europa zu verlassen?
Und warum diskutieren wir über Toleranz, wenn der ESC noch läuft, seit 60 Jahren?
Und heißt es nicht "Die Letzten werden die Ersten sein", also wenn man die Platzierungen umdreht...?
Übrigens erspart uns der ECS teure Umfragen zu Deutschland: In 3 Stunden wissen wir, wie beliebt wird sind, geht's noch schneller?

So, nun aber Stopp, sonst müssen wir noch nächstes Jahr antreten und es bseser machen. Wobei...nun ja, ich hatte die Schnittstellen erwähnt...?