Haften Forenbetreiber und Newsportale für Kommentare?

  • Schaut mal


    "Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, wann die Betreiber eines Internetforums für beleidigende Kommentare haften."

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  • Damit durch den Titel kein falscher Eindruck entsteht, sollte besser der genaue juristische Kontext angeführt werden:


    • Es ging in der Entscheidung um das estnische Nachrichtenportal Delfi.ee und einen Artikel aus dem Jahre 2006. Im besagten Artikel ging es verkürzt darum, dass eine estnische Fährgesellschaft ihre Fahrrouten zu bestimmten Inseln geändert hatte und diese Fahrten das Eis an Stellen zerbrechen ließ, an denen eigentlich Eisstraßen hätten angelegt werden sollen. Die Folge: Dort ansässige Bewohner könnten dann - ohne Eisstraßen - nicht mehr ohne Fähre nach Hause gelangen.
    • Der Artikel löste vielseitige Reaktionen aus, besonders der negativen Art. Es gab also ehrabschneidende Äußerungen, Vulgarismen und sogar Aufrufe zu Gewaltaktionen. Delfi.ee entfernte diese Entgleisungen mit entsprechendem Kommentar und dachte, damit wäre es erledigt.
    • Das Fährunternehmen wiederum sah sich verunglimpft, forderte Schadensersatz bzw. Entschädigung vor einem Zivilgericht und - gewann.


    Das Gericht begründete das Urteil zusammengefasst so:


    Weil es sich im vorliegenden Fall um ein kommerzielles Nachrichtenangebot handle und nicht um "andere Foren im Internet, wo von Dritten Kommentare verbreitet werden können, zum Beispiel ein Internetdiskussionsforum, ein Bulletin Board oder eine Social-Media-Plattform", hätten die rufschädigenden Kommentare schneller entfernt werden müssen.



    Soweit der Kontext, zurück zu Deutschland:


    - Wir wissen, dass Seitenbetreiber unter Umständen für rechtsverletzende Beiträge/Kommentare ihrer Nutzer haften (Stichwort Beleidigung und falsche Tatsachenbehauptung). Dieser "Störerhaftung" wird mittels Entfernung innerhalb einer angemessenen Frist begegnet.


    - Kommt man in der "angemessenen Frist" der Entfernung nicht nach, verbreitet besagte Inhalte o.ö., kann eine Abmahnung erfolgen. Juristisches Manko: Die Wendung "angemessene Frist" ist nicht eindeutig und präzise definiert, sagt also nicht, ob wir von 1 Tag, 1 Woche oder X sprechen (Stichwort "zur Kenntnis gelangen").



    - Nächstes Problem: Nicht immer sind vermeintliche Tatsachenbehauptungen auch eindeutig gemäß falsch/richtig zu klären (Beispiel Werturteile).





    Für uns in Deutschland ändert sich also nichts, es wäre unter Umständen heikler geworden, wäre eine Art Vorab-Überprüfung gefordert worden. Sprich, hätte es geheißen, dass ab dem XX.XX.XX jeder Beitrag/Kommentar in einem Online-Forum vorab durch den Betreiber überprüft werden, ggf. zensiert und/oder eben gar nicht veröffentlicht werden dürfte, wenn der Inhalt als rechtsverletzend eingestuft würde. Das wäre quantitativ nicht zu bewältigen, würde die Meinungsfreiheit beschneiden und zensorisch fragwürdig sein (transparente Regelungen?).





    Zugleich muss ich sagen, ich finde es richtig, wenn Verleumdung&Co. nachgegangen wird. Das www ist kein rechtsfreier Raum, keiner muss sich beleidigen lassen und keiner hat das Recht zu beleidigen. Im Realleben kann das auch zu einer Anzeige führen. So sehr ich nachvollziehen kann, dass man nicht bei jedem Thema, in jedem Kontext und auf jeder Seite seinen Realnamen angeben möchte (z.B. aus Angst vor beruflichen Konsequenzen), so sinnvoll und richtig finde ich es doch, wenn man sich nicht anonym versteckt. Es sind doch oft unsere bekannten "Trolle", anonyme Hetzer und selbsternannten "Aufklärer", die sich hinter einem Alias und Proxy verstecken, um zumindest für eine gewisse Zeit im Internet Macht zu verspüren, die sie sonst nicht haben.
    Harte Diskussionen, sachliche Auseinandersetzungen mit Argumenten und dass man seine, auch unbequeme, Meinung vertritt, genau das ist es, was online passieren soll und muss, Stupides Pöbeln, emotionale Angriffe und blindes bzw. einseitiges Rudelbeißen gegen Dritte sind die negativen Auswüchse, die den Ruf der Forenwelt in den Dreck ziehen. Wenn solche Leute dann die juristische Quittung erhalten, würde ich nicht bedauernd dabeistehen, denn jeder hat selber in der Hand, was er/sie sagt bzw. tippt.

  • Für Forenbetreiber dürfte diese von mir hervorgehobene Passage interessant sein, ich zitiere wörtlich:



    Bedenklich an der Entscheidung erscheint dem Fachanwalt für IT-Recht, Thomas Stadler, der Hinweis des Gerichts, dass das Portal nicht genug getan habe, um rechtswidrige Kommentare zu verhindern. Damit stelle sich die Frage, ob der Betreiber eines Newsportals Kommentare vorab nicht nur automatisiert zu filtern, sondern sogar redaktionell zu prüfen habe.


    Quelle: http://www.golem.de/news/anwae…iber-hat-1506-114731.html




    Die Frage wäre also, reicht dann noch ein regulärer Filter, um z.B. obszöne, rassistische, extremistische und/oder pornografische Kommentare vorab auszusortieren, oder heißt "redaktionell überprüft", manuell zensorisches Vorgehen?
    Wenn es letzteres wäre, nach welchen allgemein gültigen Regeln ginge es dann, wer überprüft das und kann man dann trotzdem zu 100% ausschließen, dass Menschen keinen Fehler machen oder nicht doch eine Person das berühmte Haar in der Suppe findet?



    Das Urteil wirft, denke ich, noch zu viele Fragen auf, ist speziell auf diese eine Situation gemünzt gewesen und heikel finde ich den Vorwurf, dass die Newsseite nicht "schnell genug" gehandelt hätte.
    Reflexiv möchte vermutlich jeder Betroffene, dass ein ehrverletzender Kommentar am besten in 5 Minuten entfernt wird, aber ist das praktisch leistbar? Das würde voraussetzen, dass quasi 24 Stunden lang eine Online-Plattform von zumindest einem Team- bzw. Redaktionsmitglied besetzt ist, die Person auch umgehend eingreift und blitzschnell eruieren kann, was Fakt und was Lüge ist. Wie realistisch ist das aber?


    Zudem ist auch immer ein Großteil an subjektivem Empfinden dabei. Wenn ich sachlich meine Meinung zu einem Hersteller X darlege und zum Schluss komme, dass ich diesen nicht empfehlen kann, das Produkt schlecht finde und abrate, dass es andere Leute kaufen - ist das dann nur meine Meinung, schramme ich bereits an der Grenze zu einer potenziellen Rufschädigung und impliziere gar einen Produktboykott?
    Ich tituliere gerne aus Spaß Leute mit allerlei kreativen Neologismen und Anreden. Die Teamkollegen und enge WBB-Freunde wissen das, lachen dann und würden nie auf die Idee kommen, ich könne es böse bzw. ehrverletzend meinen. Nun tituliere ich ein neues Mitglied als z.B. "Gemeingnom", "Forenopfer", "Hassteufelchen" o.ä. und dieses Mitglied würde es nun persönlich nehmen - was nun? Aussage gegen Aussage? Subjektive Wahrnehmung? Vorsorgliche Beitragslöschung? Juristische Konsequenzen mit Beweislast auf Seiten des Mitgliedes?



    Ich denke, diese Beispiele deuten die Dimension an und vermutlich werden wir irgendwann wirklich weitere Regelungen brauchen, weil die Dynamik des Internets auch menschliche Dynamik impliziert. Und wo Menschen sind, braucht es Regeln, weil nicht von einer Haltung auf andere oder gar alle geschlossen werden kann.

  • Ich denke das es nicht möglich ist alles zu 100% Kontrollieren zu können. Klar wenn neue Sachen geschrieben werden schaut man rein aber nicht immer sofort. Wie Gabbid sagt es müsste dann 24 Std lang immer wer da sein und das kann man von keinem verlangen.


    Ich persönlich habe gewisse Ausdrücke gesperrt und wenn mir User auffallen die massiv über die Stränge schiessen, andere Beleidigen etc, dann gibt es Reaktionen von mir. Zuerst mal, wenn der Teil zu heftig ist, wird der Beitrag, wenn es im Forum drin ist, deaktiviert. Kommentare bei Bildern, Blog etc werden sofort gelöscht, wenn man die nicht einfach deaktivieren kann. Dann wird das Mitglied angeschrieben, welches auffällig wurde und um Erklärung gebeten. Je nachdem was dann kommt wird weiter reagiert. Das kann z.B. ein Gespräch im Chat oder Skype, Messenger, etc mit den betroffenen Personen sein, damit man es klären kann. Denn ich bin der Meinung das nicht alles was bei User x als Böse ankommt, von User y grundsätzlich nur böse gemeint sein muss. Denke es kommt auch immer auf die Stimmung des einzelnen an, jeder ist mal empfindlicher als normalerweise, hat allgemein weniger gute Laune, etc. Gewisse Ausdrücke haben da natürlich auch kein Chance mehr, wenn der User y jemandem Schlampe sagt und danach behauptet das er es nicht so meinte. Da gibt es bei mir auch klare Grenzen.



    Wenn ich sachlich meine Meinung zu einem Hersteller X darlege und zum Schluss komme, dass ich diesen nicht empfehlen kann, das Produkt schlecht finde und abrate, dass es andere Leute kaufen - ist das dann nur meine Meinung, schramme ich bereits an der Grenze zu einer potenziellen Rufschädigung und impliziere gar einen Produktboykott?

    ich denke das ist kein Boykott, denn es gibt auch Seiten, Firmen, etc. Bei uns gibt es z.B. Kassensturz das u.a. in TV ausgestrahlt wird. Die Testen immer wieder unterschiedliche Produkte, von Zahnbürste bis irgendwelche Maschinen in Haushalt und Baucenter, etc. Selbst Lebensmittel und deren Verpackung kamen schon dran. Die sagen dann ganz klar Produkt X ist schlecht weil... oder Produkt Y ist genügend weil.... Dann würden ja sie alle nur Rufschädigung betreiben.