Bist du eine 1 oder eine 5? Ein Blick auf "Peeple" soll zukünftig genügen

  • Das Mittagessen war heute sehr lecker? 5 Sterne!
    Der Roman war durchwachsen? 2 Sterne!
    Der Sommerurlaub in Hotel X war eine einzige Katastrophe? 1 Stern!


    Bewertungen, Feedback und Sterne sind bei Online-Plattformen gang und gebe, sollen sie doch zukünftigen und geneigten Lesern einen möglichst weitfächrigen Eindruck vermitteln. So weit, so gut, so probemlos?


    Nicht ganz. Innerhalb der sozialen Netzwerke und Online-Communities kam mit der "Like/Dislike"-Thematik ein inhaltlicher Bruch, denn plötzlich muteten Bewerbungen wie personale Bewertungen an, es war gar von Gruppenzwang, regelrechten "Dislike"-Orgien die Rede und führte in der Folge bei nicht wenigen WBB-Foren auch dazu, dass entweder gar keine Bewertung via "Like/Dislike" aktiviert wird oder nur ein "Like" bzw. Sterne bei Downloadzahlen u.ä. zu sehen sind.


    Wenn wir heute Hotels, Käufe und Tipps mit Bewertung versehen, ist es da gänzlich unlogisch in Zukunft auch Menschen zu bewerten? Wer nun denkt, ich spreche von pubertärer Notengebung ("Also Brad Pitt bekommt von mir eine 9 auf einer Skala von 1-10"), dem sei gesagt, dass die kommende App "Peeple" tatsächlich eine reale Bewertung möglich machen will.



    "Peeple" ist eine App für Smartphones und eine der Gründerinnen sah diese App als "logischen nächsten Schritt" an. Der Grund: Menschen möchten sich vorab einen ersten Eindruck über Menschen machen. Besagte Mitgründerin stand vor der Frage, wie sie einen möglichst passenden und guten Babysitter finden soll, wenn sie anhand der Angebote nicht weiß, wie gut oder eben nicht Babysitter A, B oder C ist.


    Dieses Konzept wurde nun so modifiziert, dass jeder mit der App eine personale Bewertung von 1 (= nicht zu empfehlen/sehr schlecht) bis 5 (absolut zu empfehlen/sehr gut) vergeben und auch ein kurzes Feedback inkludieren kann. Negative Einsendungen werden erst einmal 2 Tage zurückgehalten, um Personen Zeit zu geben etwaige Differenzen zu klären.
    Eine reale, nutzbare "Opt-out"-Funktion und Löschung negativer Kommentare sind hingegen - Stand heute - nicht geplant bzw. integriert. Das heißt: Die App-Nutzer müssen sich mit einem Facebook-Konto unter ihrem realen Namen anmelden und benötigen von dem zu bewertenden Personen lediglich den Namen und die Handynummer.



    Bereits kurz nach der Bekanntgabe in der Washington Post hagelte es Kritik, Begriffe wie "menschenverachtend", "realitätsfern" oder auch "Hetzkampagne" fielen. Diese sind nicht spurlos an den Gründerinnen vorbeigegangen, sie versuchten ihr Konzept zu verharmlosen und relativieren, aber ihre App bekam trotzdem den unrühmlichen Titel der "meistgehassten App" (Quelle: http://recode.net/2015/10/26/t…ted-app-arent-going-away/).



    Schaut man sich die Kommentare an, kann man zwei grobe Lager ausmachen:


    - Die Leute, die eine Bewertung von Personen zwar nicht brauchen und nicht wissen, ob sie die App bzw. Funktion überhaupt nutzen werden, dem aber neutral gegenüberstehen. Sprich: Wenn wir sonst schon alles bewerten, ist es logisch, dass nun auch Menschen dran sind. Mögliche Folgen solle man nicht dramatisieren und es einfach als optionale und (theoretische) Hilfemöglichkeit sehen.


    - Dem gegenüber stehen die ärgerlichen und besorgten Leute, die bereits jetzt Folgen wie Mobbing, Hass-Posts und psychische Folgen für etwaige "Abgeurteilte" sehen. Die App wird als eine Art virtueller Pranger, gar Guillotine, verschrien, die vielleicht sogar schon gegen die Menschenrechte verstößt.




    Die Erfinderinnen glauben an das Gute im Menschen, dass ein Missbrauch der App nicht der Normalfall werden würde, personale Wertungen auch etwas Nützliches haben können. Hoffnungslose Naivität oder realistisches Szenario?







    Was haltet ihr von dem Konzept, so einer App und würdet ihr euch bewerten lassen, so eine Funktion vielleicht sogar super für euer Projekt finden oder schüttelt ihr euch schon bei der reinen Vorstellung?





























    * Hinweise für Interessierte: Die App selber soll voraussichtlich im November online gehen. Wer einen deutschen Abriss zum Thema haben möchte, kann z.B. hier hineinsehen: http://www.zeit.de/digital/int…erk-bewertung-datenschutz

  • Kurz und bündig: Für mich stellt es einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, wenn sich A anmaßt, eine Beurteilung von B (ggf. sogar, ohne dass B davon Kenntnis erhält) zu veröffentlichen und einem großen Benutzerkreis zugänglich zu machen. Man sollte alle rechtlichen Mittel gegen diese Art der Zurschaustellung (egal ob positiv oder negativ) ausschöpfen.





    Gruß norse

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  • Kurz und bündig: Für mich stellt es einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, wenn sich A anmaßt, eine Beurteilung von B (ggf. sogar, ohne dass B davon Kenntnis erhält) zu veröffentlichen und einem großen Benutzerkreis zugänglich zu machen. Man sollte alle rechtlichen Mittel gegen diese Art der Zurschaustellung (egal ob positiv oder negativ) ausschöpfen.
    Gruß norse

    Davon ab, ich halte mich eh für eine glatte 1 und bin von mir selber total begeistert.
    Da würde auch so ein blödes App nicht's verändern können.


    Aber, ich denke da einmal an die bisschen weicheren Mitbürger, die sich wieder alles zu Herzen nehmen und womöglich die Meinung anderer hinterfragen, warum,weshalb,wieso.
    Kurz, ein App, welches die Menschheit sicherlich nicht braucht.
    Facebook reicht doch schon, um in "gepflegter" Manier einen Schittstorm zu starten.

  • Kurz und bündig: Für mich stellt es einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, wenn sich A anmaßt, eine Beurteilung von B (ggf. sogar, ohne dass B davon Kenntnis erhält) zu veröffentlichen und einem großen Benutzerkreis zugänglich zu machen. Man sollte alle rechtlichen Mittel gegen diese Art der Zurschaustellung (egal ob positiv oder negativ) ausschöpfen.

    Das würde ich unterschreiben !


    Die App wird als eine Art virtueller Pranger, gar Guillotine, verschrien, die vielleicht sogar schon gegen die Menschenrechte verstößt.


    Vermutlich wird es Nutzer geben, die diese App nutzen, ohne zu wissen, was sie tun.


    Facebook reicht doch schon, um in "gepflegter" Manier einen Schittstorm zu starten.

    Aus "Sympathie" oder sonstigen Gründen teilen einige Nutzer solch negative Inhalte und verbreiten das über alle Kontinente hinweg.
    Bei weltweit über 1,4 Milliarden Mitgliedern...

  • Wieder einmal recht sachlich, ich verfolge solche Themen gerne zuerst rein aus medialer Sicht, also wie bringen Leute ihr Produkt (in spe) in Stellung, wie versuchen sie es zu präsentieren und wie sind die Reaktionen.
    In dieser Hinsicht müsste man sagen, die beiden Kanadierinnen haben die PR-Theorie in der Praxis gründlich vergeigt. Aufmerksamkeit, ja, die gab es zuhauf, aber eben von der negativen Sorte. Statt dann daraus zu lernen und versuchen zu retten, was noch zu retten ist, mit Schwung weiter in die nächsten Fettnäpfchen (mediale Werbetour durch Zeitungen&Co. in der Hofffnung, je öfter man die App erklärt und verharmlost, desto eher glauben es Leute und sie selber wohl auch; öffentliche Zurückrudern bei einigen Funktionen bzw. diese zu ändern, also unter Druck einbrechen; sich selber verteidigen müssen, nicht das Produkt usw.). Wäre man ganz böse, könnte man es schon als konkretes Beispiel für einen "So-macht-man-es-nicht"-Fall nutzen, denn das Produkt und sie sind verbrannt, da können sie der App noch mitgeben was sie wollen und selber dauerlächelnd durch die Medienlandschaft tigern.


    Von der Logik her fand ich dann die ersten Proteste sogar noch recht amüsant, denn es ist doch keine innovative Idee so eine Funktion und dann eine App zu entwickeln. Zynisch gefragt, wer baut heute keine App? Als YouTube ins Rollen geriet, musste gefühlt die halbe Welt plötzlich ihre Videos machen. Als "Let's Plays" absolut super waren, sprangen auch da Leute auf den Zug auf, nun eben Apps. Und wenn Rezensionen, Sternchen, Feedbacks etc. seit vermutlich 10 Jahren völlig normal sind, ist es da wirklich ein Aufschrei zu sagen "Oh Gott, wie kann man nun Menschen bewerten?!". Das würde ich dann doch hinterfragen (vielleicht vergleichbar mit den Anfangsdiskussionen zu Facebook und den Hass-Posts, also "Wie, man kann soziale Medien auch gegen Leute nutzen?").


    Leute bewerten also. Wenn es so bleibt, wird es drei Kategorien zur Bewertung geben, nämlich


    • Romantisches
    • Persönliches
    • Berufliches


    Ich wähle also aus, wie ich eine Person bewerten will, über die Kategorien soll zumindest angedeutet werden, wie meine Rückmeldung einzustufen ist (bewertet da z.B. eine Verliebte den tollen Nachbarn, schreibt ein Freund eine lustige Nachricht über den Männerabend und wie ein anderer Freund tapfer dem Bier zusprach bzw. bewertet Auftraggeber X die Arbeitsleistung von Y).
    So eine Grobeinteilung ist nun eben grob, eine reale Analyse dürfte vermutlich nur mit Hilfe eines Psychogramms und kompetenter Fachvertreter vorzunehmen sein (wobei es auch da heute bereits interessante Software gibt, die z.B. mittels Abfragen das 1:1-Gespräch simuliert, durch Fragen, Wertungen und Parameter den Befragten hinsichtlich seiner Qualifizierung, Stärken und Schwächen beurteilt. Am Ende gibt es eine Art Tortendiagramm mit genauer Aufschlüsselung. Solche Software findet man bei großen Unternehmen, die sich darüber ihre Bewerber gezielt rekrutieren oder eben nicht.). Insofern ist die App von der Reichweite bzw. praktischen Einsatzfähigkeit eher noch eine Art Party-Gag, eine vielleicht lustige Funktion bei sozialen Medien o.ä.



    Die beiden Kriterien "Romantisches" und "Persönliches" implizieren , dass man nun eine Person im Grunde gar nicht kennenlernen muss, der Blick auf die Bewertung genügt. In einem utopischen/dystopischen Roman sicher eine reale Option, in der Realität 2015 aber keine. So sehr Online-Kultur, technische Geräte usw. heute normal sind, auch die Freizeit vieler Menschen dominieren, so sehr geht es eben nicht ohne direkte Kontakte. Würde ich wirklich Interesse an Person X haben, dürfte mich die Bewertung von 1 Stern auch nicht abhalten mir meine eigene Meinung zu bilden, umgekehrt kann der nächste Brad Pitt mit 5 Sternen in Wahrheit ein charakterlich nicht gerade hell flackerndes Sternchen sein. Solche Wertungen sind und bleiben eben subjektiv, implizieren nur für sehr oberflächliche Leute eine klare Einstufung vorab.


    Eine berufliche Einschätzung anhand präziser Kriterien könnte noch bei einigen Branchen und für Verbraucher hilfreich sein, aber auch dafür eignet sich einfach keine App. Alleine die Frage, wie großzügig Leute eine Verspätung vom Möbellieferer sehen, könnte im Extremfall 1-5 Sterne Unterschied ausmachen, wie sollte man aber wissen, wer eben wie streng oder nicht bemisst?
    Schon heute kann es schwer sein Nutzerfeedback korrekt zu lesen, besonders dann, wenn kein schriftlicher Zusatz präsentiert wird. Bei Büchern ist es noch harmlos, wenn also jemand einen Roman X hasst, ebenso bewertet, aber man nicht weiß, ob der Lesende nicht bzw. völlig falsche Erwartungen hatte, ob er/sie seine Kompetenz überschätzte usw. Hotel- und Restaurantbewertungen können heftige Gegenstimmen hervorrufen, man hört von Rufschädigung und dass es eben auch schon Klagen vor Gericht gab. Verständlich? Menschlich, würde ich sagen, wer möchte sich gerne - seiner Meinung nach - einseitig oder vermeintlich falsch bewertet und angeprangert fühlen?




    Was bleibt nun unterm Strich. Eigentlich nicht mehr viel bzw. so eine App eignet sich einfach nur begrenzt für bestimmtes Klientel in einem bestimmten Kontext, trifft aber nicht einen aktuellen Trend oder erreicht durch virales Marketing viele Kunden. Bei nüchterner Abwägung überwiegen Nachteile und potenzielle Probleme, die rechtliche Dimension ist noch gar nicht zur Gänze durchgesprochen und bedacht worden, meine ich aus den Interviews der Gründerinnen herausgelesen zu haben, und würde man wirklich so eine App brauchen, um die eigene Meinung, gar lustige oder romantische Anwandlungen zu hinterlegen? Nein, wie du ja schon sagtest, Fishzilla, da kann man die bisherigen Optionen bereits nutzen und die gute alte Rufschädigung klappt sicher auch so. ;)



    Auf der anderen Seite provokativ gefragt: Wenn sich Leute über so eine App aufregen, dabei aber gefühlt 99% ihres Lebens online stellen und im Selfie-Wahn Treppen herunterfallen, virtuell euphorisch werden, weil sie XX Likes erhalten haben - wie ist das dann zu nennen, schizophrene Ich-Perspektive, einseitige Wahrnehmung, verdrängte Realität, mangelnde Reflektivität?

  • Auf der anderen Seite provokativ gefragt: Wenn sich Leute über so eine App aufregen, dabei aber gefühlt 99% ihres Lebens online stellen und im Selfie-Wahn Treppen herunterfallen, virtuell euphorisch werden, weil sie XX Likes erhalten haben - wie ist das dann zu nennen, schizophrene Ich-Perspektive, einseitige Wahrnehmung, verdrängte Realität, mangelnde Reflektivität?

    Vermutlich eine Mischung aus allen genannten Punkten.

  • Ich verfolge die recht hitzige Debatte um diese App, die aber trotz massivem Gegendwind die beiden Entwicklerinnen nicht in die Knie zwingt. Ob es Zweckoptimismus, realer Kampfeswillen oder eine Art "Jetzt erst recht" ist, lässt sich nicht recht ermitteln. Die Homepage der beiden Damen zierte noch vor kurzen eine Art erklärend-rechtfertigende Stellungnahme, die man nun aber wegen der Betatest-Phase nicht mehr ohne Registrierung sehen kann. Allerdings habe ich mir den Text schon gesichert, stelle ihn hier zur weiteren Diskussion vor und habe essentielle Teile fett hervorgehoben:



    Innovators are often put down because people are scared and they don’t understand. We are bold innovators and sending big waves into motion and we will not apologize for that because we love you enough to give you this gift. We know you are amazing, special, and unique individuals and most likely would never shout that from the rooftops. The people who know you will though…they choose to be around you and in your life and support you even when you don’t like yourself. We have come so far as a society but in a digital world we are becoming so disconnected and lonely. You deserve better and to have more abundance, joy, and real authentic connections. You deserve to make better decisions with more information to protect your children and your biggest assets. You have worked so hard to get the reputation you have among the people that know you. As innovators we want to make your life better and have the opportunity to prove how great it feels to be loved by so many in a public space. We are a positivity app launching in November 2015. Whether you love us or our concept or not; we still welcome everyone to explore this online village of love and abundance for all.


    Wer sich nun eventuell die Augen reibt: Richtig, dieser Text könnte auch gut an einer Kirchentür hängen oder Werbung für eine soziale Einrichtung machen. Die App wird verharmlosend als rein positives Mittel dargestellt, um den eigenen hart erkämpften Ruf und tollen Charakter zu zeigen. Anders formuliert, warum sich selber loben, wenn es eine App kann?


    Alleine das klingt schon merkwürdig, um nicht die Frage zu stellen, wer derartige Selbstbeweihräucherung wirklich braucht. Die beiden Damen gehen nun aber soweit und unterstellen den kritischen Stimmen Angst, eines der üblichen "Argumente", um Kritiker in die Schranken zu weisen, wenn man keine faktischen Argumente hat - dicht gefolgt vom Totschlagsatz "Du hast nicht richtig gelesen"/"Du verstehst es/mich nicht".


    Die "Argumentation" wird leider auch nicht besser, denn subtil wird nur das Thema Kinderschutz eingeführt, um darüber fürsorgliche Eltern als Klientel zu erreichen. Denn wer bitte würde sagen "Mein Kind? Das ist mir doch egal, hauptsache ein Babysitter passt eben auf". Angst war noch nie ein guter Ratgeber, aber hat leider - speziell in Amerika - noch immer Massen mobilisiert.


    Um nun aber keine reale Panik zu erzeugen und konkrete Ängste zu schüren (bei Kindern läge es nahe das P-Wort anzudeuten), wird dann schnell versucht einen positiven Abschluss zu finden, nämlich: Piep, piep, piep, wir und die App haben euch lieb. Also, warum kritisch sein, die App will doch nur nett sein, euch loben und im Gegenzug geliebt werden, kann man es ihr verdenken?




    Zur Erinnerung, dieser Text stand/steht so wirklich auf der Website und die zwei Entwicklerinnen dachten/denken ebenso wirklich, das würde a) alles erklären und b) die Kritiker verstummen lassen.



    Frage meinerseits: Ist das nun noch unter "naiv" abzuhaken, der missglückte Versuch durch Optimismus gepaart mit latenter Angstschürung die App in der Wahrnehmung zu steigern oder müsste man sagen, das war der nächste Fehler in der Kommunikations- und Launching-Ecke, diese App ist und bleibt ein Rohrkrepierer?