Liken oder Nicht-Liken, das ist die Frage...

  • Anfangs amüsiert, mittlerweile verwundert habe ich die Diskussion im Alphademo-Forum für WBB 4 rund um "Like/Dislike" verfolgt. Wer Interesse an der Diskussion hat, kann sich z.B. hier einen Überblick über die unterschiedlichen Meinungen verschaffen: http://beta.woltlab.com/index.…ht=Like%2BSystem#post2135


    Theoretisch gut gemeint, soll ein Like-System als Überblick dienen, es den Nutzern und auch Forenbetreibern erleichtern, nicht immer oder zwangsweise einen meinungstechnischen Epos zu verfassen. Ein Forenbetreiber fragt also bspw. nach, ob seine Mitglieder das neue Design/Plugin möchten, es folgt eine Abstimmung via Zustimmung/Ablehnung und schön demokratisch zählt am Ende, auf welcher Seite mehr Punkte stehen.


    Wie sich aber zeigt, ist gut gemeint in der Wahrnehmung nicht immer gut gemacht, denn schon kommen Rückmeldungen, demnach doch "Like/Dislike" "immer" persönlich motiviert wären. Leider wird das im Demoforum auch tatsächlich hinreichend bewiesen, so dass man nun schlecht sagen kann "Nein, der Mensch und Forenbenutzer ist viel intelligenter und zu einer differenzierten Wahrnehmung fähig!" Also kommt, was kommen muss: Der eine umjubelt seine Like-Anzahl, der andere brüskiert sich, weil doch ein bestimmter Nutzer absichtlich alles "disliked" und gar nicht liest, worum es geht.



    Für mich war die Erkenntnis aus der Diskussion, dass so eine Funktion am besten direkt im Forum global deaktiviert wird - bevor es noch zum Endkampf der "Liker versus "Disliker" kommt. ;) Aber gleichzeitig finde ich es nicht nur entlarvend in Richtung eigener Wahrnehmung bzw. eigenem Verhalten, sondern auch fast schon ernüchternd und bitter, wie eine kleine Funktion missbraucht und verkannt wird.



    "Daumen hoch/runter" mutete für Mitglieder zweifelhaft an, weil die Assoziation mit römischen Gladiatorenkämpfen im Hinterkopf geisterte (man denke an Juvenal's Ausspruch "Munera nunc edunt et, verso pollice vulgus cum iubet, occidunt populariter“) und Sternchen passen nicht in jedes Forum. Was wäre dann aber eine neutrale und eventuell bessere Alternative, die klar/er herausarbeitet, wo es um fachliche Zustimmung und wo es um eine personenbasierte Bewertung geht?



    Kann man überhaupt so ein neutrales System bauen, das auch gleich vor jeder missbräuchlichen Nutzung geschützt ist oder ist das utopisch, weil der Faktor Mensch nicht berechenbar ist?



    Und werdet ihr selber das "Like/Dislike"-System in eurem Forum aktivieren, es einschränken oder gar direkt deaktivieren, um von Beginn an Unruhen vorzubeugen?

  • In der von WL im Betaforum angebotenen Form kommt das in kein Forum, in dem ich ein Wörtchen mitzureden oder gar das Sagen habe. Fragt mich jetzt bitte noch nicht, was ich ganz konkret ändern würde. Um dazu Stellung zu nehmen, muss ich das System, seinen Aufbau und die vorhandenen Konfigurationsmöglichkeiten zunächst mal näher inspizieren und dann meine Vorstellungen mit meinen technischen Möglichkeiten abgleichen. Dabei kommt dann entweder etwas heraus, das meinen Ansichten entspricht oder es wird abgeschaltet.





    Gruß norse

  • Ich hatte mich erst gefragt, ob das Hauptproblem einfach darin liegt, dass die Symbolik und Begrifflichkeiten die meisten Leute falsch einstimmt bzw. unbewusst zu einer missbräuchlichen Benutzung anregt.
    Sprich, die Daumen werden als zu deutliche Bekundung empfunden, Sternchen haben eher Niedlichkeitswert, der weniger hilfreich für Inhalte anmutet, und "Like/Dislike" werden intuitiv als persönliche Haltung definiert. Dass es aber streng genommen nicht um ein Mögen geht ("Ich mag Kaffee", "Ich mag keinen Tee"), sondern mehr um eine Form der Zustimmung ("Ich stimme dem Beitragsersteller (nicht) zu"), scheint sich für die Benutzer nicht semantisch implizit aus den Begriffen heraus zu erschließen.


    Was wäre also, wenn man diese Funktion im jeweiligen Forum einfach umtauft? Nennen wir es bspw. "Zustimmung" und als negativer Gegenwert gäbe es die "Ablehnung". Beide Begriffe weisen deutlich darauf hin, es geht um die individuelle Haltung, aber diese ist stärker auf den Inhalt fokussiert, weniger auf die Person, die etwas schreibt.
    Die Frage ist nun, entsteht diese Lesart bzw. Nutzung auch intuitiv, ohne dass ich vorab die semantische Denotation der Begriffe aufschlüssle? Es ist ja nie das Problem, dass man linguistisch etwas erklärt und es so für Leute nachvollziehbar macht, aber wir möchten doch eigentlich, dass wir die Benutzer nicht vorab lenken, sondern sie sollen es durch die Begriffe latent selber wahrnehmen und folglich (korrekt) agieren.



    Ein zweiter Gedanke meinerseits war, was wäre hypothetisch gesprochen, wenn man diese Funktion zumindest optional nicht an eine Kommentarfunktion, sondern gleich an einen Thread anbinden würde?
    Dabei dachte ich mir folgendes: Als Nutzer kann ich also abstimmen, aber das geht von der Reihenfolge erst, wenn ich einen Thread eröffnet und zumindest ein paar Zeilen als Rückmeldung hinterlegt habe. Ich kann also nicht einfach abstimmen und fertig, sondern ich muss meine Meinung kurz darlegen und erst dann öffnet sich die Option zur Abstimmung.
    Vorteile: Die Diskussion läuft dann nicht rein über Zu- und Abstimmung, sondern kommunikativ, und wird transparenter.
    Nachteile: Man setzt den Benutzer latent unter Druck, sich äußern zu müssen und das wiederum garantiert auch nicht, dass man eine nachvollziehbare Rückmeldung erhält. Plus, nicht alle Themen erfordern ausführliche Stellungsnahmen und nicht alle Nutzer schreiben gerne dezidiert.



    Kurzzeitig dachte ich noch in die Richtung, ob man die Funktion inhaltlich erweitert. Das habe ich mir grob so bildlich vorgestellt: Ich lese also einen Beitrag und möchte abstimmen, klicke auf die Zustimmung/Ablehnung. Was nun passiert, ist, es öffnet sich ein kleines Pop-up-Fenster (?) und ich lese darin "Sie stimmen der Äußerung der Person (nicht) zu?", ich entscheide dann ob Ja/nein und klicke. Von der Wirkung her nehmen wir wieder den Fokus von der Person und lenken ihn auf den Inhalt.
    Aber, ist das wirklich so oder hätte ich es nur gerne?
    Und ist ein Pop-up dafür nicht etwas zu verspielt (wo WBB 4 schon stark auf diesen Effekt setzt)?







    Was haltet ihr spontan von diesen Überlegungen?

  • Sprich, die Daumen werden als zu deutliche Bekundung empfunden,


    Das glaube ich weniger und empfinde persönlich auch nicht so. Ich möchte vielmehr zu bedenken geben, dass es deutlich weniger und auch weniger bipolare und von Emotionen geprägte Diskussionen um den Einsatz des Renommesystems gegeben hat, welches in der vereinfachten Variante ebenfalls die Daumen verwendet.


    Ich ganz persönlich mache kein Hehl daraus, dass meine Abneigung gegen das Like-System in der gezeigten Form vorrangig in meiner Skepsis gegenüber Social Networks begründet ist.





    Gruß norse

  • Und werdet ihr selber das "Like/Dislike"-System in eurem Forum aktivieren, es einschränken oder gar direkt deaktivieren, um von Beginn an Unruhen vorzubeugen?

    Das Forum was ich betreibe soll, ein Forum bleiben, und keine Kopie von facebook. Wer sowas brauch soll sich bei Facebook einen Account erstellen und fertig. Wenn User gute Beiträge geschrieben haben wo man tatsächlich liken würde, kann man ebenso den "Danke" Button benutzen. Aber nicht mal den habe ich im Programm. Immerhin gibt es als gute Alternative den "Antwort" Button und man kann seine Gedanken posten. Herzlich Willkommen in einem FORUM wo es um Beiträge und sachliche Diskussionen geht.



    Zitat

    ...weil doch ein bestimmter Nutzer absichtlich alles "disliked" und gar nicht liest, worum es geht.

    Solche Menschen würde ich aus dem Forum werfen und ich denke mal, jeder Forenbetreiber würde das machen wenn der nette User nicht auf die Vorwarnungen hört. In einem normalen Forum gibt es immer eine vernünftige Moderation, zumindest sollte sie es.
    Die Menschen die sowas tatsächlich, nur ausnutzen wollen, machen sich eh um nichts einen Kopf und sind für ein Forum nur unreif.






    Wenn die Forensoftware in den nächsten Jahren so weiter entwickelt wird, dann werden die Forenanbieter das so weit haben das jeder sein eigenes kleines Facebook hat und das "eigentliche Forum" längst abgeschafft wurde. Der Sinn eines Forums versinkt immer mehr im Erdboden. Ist ja nicht nur bei WBB so, bei den anderen Anbietern sieht es ja genauso aus.

  • norse, ich finde interessant, dass es zu der Bewertung via Daumen keine Diskussion gab wie nun mit dem "Like"-System. Intuitiv hätte ich das selber genau andersherum als Problem gesehen, sprich: Daumen als Symbol zu eindeutig geprägt, das "Like" eher noch als thematische Bewertung deutbar. Daran sieht man wohl schön, wie unterschiedlich Menschen wahrnehmen und "ticken".




    Ich will es mir nicht zu leicht machen und lax sagen, tendenziell jüngere Forenmitglieder missbrauchen eine "Like/Dislike"-Funktion, zumal man das auch erst einmal faktisch belegen müsste. Aber ich beobachte nun gezielt, was im Alphademo-Bereich passiert und das spricht eine recht deutliche Sprache. Es lässt sich herausfiltern, wie zwei Leute, die sich gar nicht kannten, nach den ersten 2 Themen direkt aufeinander eingeschossen haben und sich gegenseitig sogar noch anstacheln ("Dann dislike mich doch wieder"). Der Inhalt spielt keine Rolle mehr, Argumente werden ignoriert und dieses Klima scheint sich teils auf weitere Leute zu übertragen. Wir finden dann die Unterstützer, die das vemeintliche "Dislike"-Opfer durch Gegenstimmen stützen, und die, die den "Dislike"-Einsetzer in Schutz nehmen (ob aus Überzeugung oder "Solidariät" lässt sich nicht erkennen).
    Und genau das bereitet mir Kopfzerbrechen. Es reicht, wenn zwei Leute so ein System missbrauchen und das kann im extremsten Fall das ganze Forum spalten. Das Thema tritt in den Hintergrund, es summieren sich nur noch "Likes"/"Dislikes" und rein visuell reibe ich mich selber noch immer daran, wie markant das System im Thread untergebracht ist (Icon-Anzeige direkt unter bzw. neben dem Verfasser/Erstellungsdatum und die Abstimmung selber eben auch im Pop-up). Ob man will doer nicht, es drängt sich also ins Blickfeld und ich frage mich, ob das taktisch wirklich so klug war und nicht erst Recht die Schärfe hineinbringt, vom eigentlichen Thema und der Kommunikation ablenkt?




    Spielerisch als gedankliche Überlegung hier in unsere Runde geworfen: Wenn man das System so einstellen würde, dass jede Person nur eine gewisse Anzahl an "Likes/Dislikes" zur Verfügung hätte, somit angehalten ist, diese sinnvoll und kontextbezogen einzusetzen (Anzahl nach Quartal als Beispiel) - könnte das etwas bringen?




    Deine Haltung gegenüber dem Stellenwert und der Aufgabe eines Forums, kann ich so direkt unterschreiben, Micha100. Auch für mich ist und bleibt ein Forum der Ort des gemeinschaftlichen Austausches und erst untergeordnet kommen Details am Rande (Galerie, Videos usw.) ins Spiel. Nur, das Forenbild hat sich mittlerweile doch gewandelt, das müssen wir so attestieren, oder?


    Für mein Empfinden haben Foren leider ihren "exklusiven" Charakter als kommunikative Anlaufstelle für Gleichgesinnte durch die Menge, Betreiber, alternativen Konzepte (CMS, Blogs...) und auch den jeweiligen Stellenwert an Format eingebüßt.
    Der Begriff des "Netzwerkes" als Modebegriff ist sowohl konkret als auch abstrakt, denn was bei Facebook funktioniert und von einer bestimmten Nutzergruppe angenommen wird, muss so nicht in einem Forum funktionieren.
    Wo haben wir noch wirklich viele Menschen, die das Forum aus Passion heraus betreiben, nicht als kurzzeitiges Freizeitprojekt wieder einstampfen oder verlottern lassen, weil "nur" 135 registrierte Mitglieder als zu wenig angesehen werden?
    Und wo haben wir die Leute, die nicht fragen, was man für sie tun, sondern sie für ihr Forum tun können? Ich spreche dabei nicht von den "Powerusern", sondern einfach von den Menschen, die das Forum schätzen, gerne Teil sind und sich einbringen, egal in welcher Form. Die Anzahl wird kleiner...
    Spielen, schnell abstimmen, sich bei Fragen Hilfe holen und vielleicht noch kurz bei Off-Topic schreiben oder beim Abzähl-Spiel mitmachen - das geht immer, aber degradiert ein Forum zugleich auf das, was es nicht sein sollte.



    Ich will nicht düster erscheinen oder unken, denn ich kann rational nachvollziehen, warum WoltLab mit WBB 4 diesen Weg eingeschlagen hat. Aus wirtschaftlicher und professioneller Sicht ist dieser Entschluss erklärbar, aber wenn ich es so sagen darf, aus Sicht des "klassischen Forenherzens", hätte ich es gerne anders gesehen.
    Subjektiv gesprochen hätte ich selber den Weg eingeschlagen, meine Software optisch und von den Funktionen her auch zu überarbeiten, aber letztere hätte ich endeutig mehr unter dem Attribut "Kommunikation" eingestuft. Das heißt, ich hätte geschaut, wie man z.B. die Gespräche in einem Forum visuell schöner präsentieren kann, ob man auch Ausgliederungen für Nebenthemen einbinden kann, wie man nützliche Tools rund um Umfragen, Abstimmungen, Kommentareinbindungen etc. integrieren kann und es so ermöglicht, dass noch weitflächiger diskutiert werden kann. Dann könnte man schauen, wie man bestehende Elemente (Blog, Galerie, Lexikon...) eventuell besser mit dem Forum verschmelzen kann, um keine autarken Einheiten zu besitzen, sondern eher Glieder, die einandergreifen.
    Kurzum, ich würde damit vermutlich (?) komplett gegen den Strom der gegenwärtigen Community Software-Anbieter schwimmen und das Produkt nicht in eine andere Richtung treiben, sondern sein Herzstück bewahren und dieses versuchen einfach besser (?) zu machen. Ob das funktionieren würde? Wer weiß, vielleicht könnte das den Status eines Produktes dauerhaft sichern, weil es eben nicht in der selben Reihe steht wie andere Produkte; vielleicht wäre es auch irgendwann nur wie ein Dinosaurier - von gestern und ausgestorben.